Spurs-Profi über bewegende Karriere
Lucas Moura sagte „eiskaltem“ Manchester für PSG ab – „Große Leere“ in Anfangszeit
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Lucas Moura steht seit Januar 2018 bei Tottenham Hotspur unter Vertrag. Der 29 Jahre alte Brasilianer war nach fünf Jahren bei Paris Saint-Germain für 28,4 Millionen Euro zum Premier-League-Klub gewechselt. Eigentlich wäre es damals gar nicht erst zum Transfer nach Paris gekommen, hätte Manchester United sein Vorhaben eher über die Bühne gebracht.
„Ich war kurz davor, bei Manchester United zu unterschreiben. Ihr Vertreter kam zu mir nach Hause, um über ihre Pläne zu sprechen, und ich war sehr in Versuchung“, erklärte der Offensivspieler in einem ausführlichen Beitrag für „The Players' Tribune“ mit der Überschrift „The Moments I’ll Never Forget“ („Die Momente, die ich nie vergessen werde“). „Aber in letzter Minute rief mich Leonardo (Sportchef; d. Red.) an und überzeugte mich, zu PSG zu wechseln. Sie hatten Ibra (Ibrahimovic) und viele Brasilianer wie Thiago Silva, Alex, Maxwell und Thiago Motta.“
Nicht zu vergessen waren die für einen Brasilianer durchaus relevanten klimatischen Bedingungen. „Außerdem war ich schon einmal in Manchester, und es war eiskalt. Sagen wir einfach, dass Paris für einen Brasilianer verlockender war“, erzählte Lucas Moura, der bis Ende 2012 in seiner Heimat für den FC São Paulo aktiv war, über seine Wahl pro PSG. Im Nachhinein eine zu frühe Wahl.
Von 22,5 Millionen bis 62 Millionen: Tottenhams teuerste Zugänge
34 Luka Modric | 2008/09 für 22,5 Mio. € von Dinamo Zagreb
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Stand der Daten: 13. September 2023
23 Darren Bent | 2007/08 für 24,75 Mio. € von Charlton
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20 Emerson Royal | 2021/22 für 25 Mio. € vom Barça
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20 Serge Aurier | 2017/18 für 25 Mio. € von PSG
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20 Bryan Gil | 2021/22 für 25 Mio. € vom FC Sevilla
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(+ Erik Lamela)
19 Ryan Sessegnon | 2019/20 für 27 Mio. € von Fulham
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18 Lucas Moura | 2017/18 für 28,4 Mio. € von PSG
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17 Yves Bissouma | 2022/23 für 29,2 Mio. € von Brighton
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11 Heung-min Son | 2015/16 für 30 Mio. € von Bayer 04
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11 Erik Lamela | 2013/14 für 30 Mio. € von der AS Rom
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11 Sergio Reguilón | 2020/21 für 30 Mio. € von Real Madrid
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11 Roberto Soldado | 2013/14 für 30 Mio. € vom FC Valencia
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11 Steven Bergwijn | 2019/20 für 30 Mio. € von PSV Eindhoven
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11 Dejan Kulusevski | 2023/24 für 30 Mio. € von Juventus
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10 Giovani Lo Celso | 2020/21 für 32 Mio. € von Real Betis
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9 Moussa Sissoko | 2016/17 für 35 Mio. € von Newcastle
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7 Pedro Porro | 2023/24 für 40 Mio. € von Sporting
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7 Micky van de Ven | 2023/24 für 40 Mio. € vom VfL Wolfsburg
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6 Davinson Sánchez | 2017/18 für 42 Mio. € von Ajax
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5 James Maddison | 2023/24 für 46,3 Mio. € von Leicester
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4 Cristian Romero | 2022/23 für 50 Mio. € von Atalanta
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3 Brennan Johnson | 2023/24 für 55 Mio. € von Nottingham
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2 Richarlison | 2022/23 für 58 Mio. € von Everton
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1 Tanguy Ndombélé | 2019/20 für 62 Mio. € von Lyon
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„Ich war noch nicht bereit, São Paulo zu verlassen. Auf keinen Fall, Mann. Ihr müsst verstehen, wie viel mir dieser Klub bedeutet. Wenn ich nur darüber rede, bekomme ich eine Gänsehaut. Ich bin sozusagen in der Akademie aufgewachsen. Ich habe dort Freunde gefunden, die ich als meine Brüder betrachte. Ich bleibe immer noch lange auf, um São Paulo spielen zu sehen. Es ist der Verein in meinem Herzen, der Verein meines Lebens. Ich trage ihn überall hin mit mir“, verriet Lucas Moura, der seine Frankreich-Pläne zumindest etwas verschieben konnte.
PSG musste warten: Lucas Moura wollte São Paulo noch gar nicht verlassen
„Also habe ich PSG gesagt, dass ich im Winter 2012 kommen würde. Ich wollte noch fünf Monate Zeit haben, um einen Titel zu gewinnen. Sicher, São Paulo würde Geld für mich bekommen, das sie investieren könnten, aber was interessiert es die Fans, ob der Trainingsplatz ausgebaut wird? Was sie wirklich wollen, sind Trophäen, oder?“, so der Angreifer.
PSG, Spurs, São Paulo
Die Karriere von Lucas Moura in Zahlen
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Für den Erfolg war Lucas Moura zu allem bereit: „In den nächsten Monaten spazierte ich durch das Trainingszentrum und sah mir die Fotos ehemaliger Meister an. Ich war bereit, alles zu tun, um mir einen Platz an der Wand zu verdienen. Im Ernst, ich dachte wirklich: Wenn ich meinen Vertrag bei PSG auflösen muss, um hier etwas zu gewinnen, dann werde ich es tun.“ Mit dem Klub seines Herzens in seinem Geburtsort wurde er 2011/12 schlussendlich Copa-Sudamericana-Sieger, Lucas Moura lieferte einen Treffer und eine Vorlage im alles entscheidenden Spiel. „Das war besser, als ich es mir je hätte vorstellen können.“
Man denkt, dass sie vielleicht ein bisschen arrogant sind und so tun, als ob ihnen der Laden gehört.
Anders als vorgestellt lief es dann auch in Paris, als der Profi auf Zlatan Ibrahimovic und David Beckham traf. Der Engländer verbrachte das letzte halbe Jahr seiner Laufbahn in der französischen Hauptstadt – und beeindruckte den neuen Kollegen Lucas Moura: „Ich war schockiert, als ich ihn und Ibra zum ersten Mal getroffen habe. Diese Jungs sind Superstars und man erwartet irgendwie, dass sie sich so verhalten, wissen Sie? Man denkt, dass sie vielleicht ein bisschen arrogant sind und so tun, als ob ihnen der Laden gehört. Das könnten sie ja auch, weil sie so gut sind. Aber dann merkt man, dass sie einfach sehr fleißige und bescheidene Menschen sind.“
46 Tore und 48 Assists in 229 Partien schaffte Lucas Moura für Paris Saint-Germain in seiner Zeit von Januar 2013 bis Ende 2017
Beckham, der zu seinem Freund wurde, sei so schüchtern gewesen, dass er kaum etwas gesagt habe. „Er kam leise an, setzte sich hin und arbeitete einfach. Ohne Aufhebens. Das hat mich sehr beeindruckt, vor allem, weil ich noch so jung war, denn dadurch habe ich gelernt, wie man sich benimmt“, berichtete Lucas Moura und ließ eine Anekdote folgen: „Ich scherzte mit ihm darüber, wie viel er aß. Er liebte französisches Brot und das zu Recht. Ich weiß immer noch nicht, wie er so schlank bleiben konnte.“
Trotz Geld und Ruhm in Paris: Lucas Moura vermisste brasilianische Heimat
Fernab der positiven Eindrücke bei seinen Mitspielern tat sich der junge Lucas Moura allerdings schwer im Pariser Starensemble. „Mit 20 Jahren dahinzugehen, war ein Schock. Die Kultur, das Klima, die Taktik, alles war anders. Ich verspürte einen enormen Druck, etwas leisten zu müssen. Dann kamen die Verletzungen und ich begann, Brasilien zu vermissen. Ich begann zu überlegen: War es überhaupt richtig, hierherzukommen?“, gab der 35-malige Nationalspieler zu Protokoll. „Es ist schon komisch, denn als ich nach Paris kam, sah es so aus, als hätte ich alles – einen großen Klub, Geld, Ruhm –, aber ich hatte diese große Leere in mir und vermisste mein Land sehr.“
Pastore bis Le Crom: Der PSG-Kader 2011/12 nach Marktwerten
Diese Marktwerte hatten die PSG-Profis am Ende der Saison 2011/12
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Kaderwert am Ende der Saison 11/12 (ohne Leihrückkehrer): 209 Mio. €
Kaderwert am Ende der Saison 2010/11: 103 Mio. €
1 Javier Pastore | 22 | Marktwert: 29 Mio. €
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2 Jérémy Ménez | 24 | Marktwert: 18 Mio. €
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3 Mamadou Sakho | 21 | Marktwert: 16 Mio. €
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4 Kévin Gameiro | 24 | Marktwert: 14 Mio. €
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5 Thiago Motta | 28 | Marktwert: 14 Mio. €
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6 Nenê | 29 | Marktwert: 14 Mio. €
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7 Salvatore Sirigu | 24 | Marktwert: 13 Mio. €
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8 Blaise Matuidi | 24 | Marktwert: 10 Mio. €
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9 Alex | 29 | Marktwert: 8,5 Mio. €
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10 Guillaume Hoarau | 27 | Marktwert: 8 Mio. €
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11 Mohamed Sissoko | 26 | Marktwert: 7,5 Mio. €
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12 Mathieu Bodmer | 28 | Marktwert: 7 Mio. €
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13 Mevlüt Erdinc | 24 | Marktwert: 6,5 Mio. €
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14 Clément Chantôme | 23 | Marktwert: 6 Mio. €
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15 Milan Bisevac | 27 | Marktwert: 6 Mio. €
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16 Christophe Jallet | 27 | Marktwert: 5,5 Mio. €
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17 Maxwell | 29 | Marktwert: 5 Mio. €
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18 Diego Lugano | 30 | Marktwert: 5 Mio. €
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19 Siaka Tiéné | 29 | Marktwert: 3 Mio. €
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20 Sylvain Armand | 30 | Marktwert: 3 Mio. €
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21 Nicolas Douchez | 31 | Marktwert: 2,5 Mio. €
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22 Zoumana Camara | 32 | Marktwert: 2 Mio. €
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23 Ceará | 31 | Marktwert: 1,75 Mio. €
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24 Jean-Christophe Bahebeck | 18 | Marktwert: 1,5 Mio. €
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25 Alphonse Areola | 18 | Marktwert: 0,7 Mio. €
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26 Alassane També | 19 | Marktwert: 0,6 Mio. €
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27 Péguy Luyindula | 32 | Marktwert: 0,6 Mio. €
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28 Neeskens Kebano | 19 | Marktwert: 0,4 Mio. €
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29 Loris Arnaud | 24 | Marktwert: 0,3 Mio. €
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30 Ronan Le Crom | 36 | Marktwert: 0,05 Mio. €
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Der Glaube und seine brasilianischen Kollegen halfen Lucas Moura aus dem Tief, ließen Paris für ihn zu einer „besonderen Stadt“ werden. Insgesamt stand er für PSG 229-mal auf dem Platz, dabei gelangen ihm 46 Treffer und 48 Vorlagen. Das halbe Jahr vor seinem Absprung zu Tottenham hätte sich Lucas Moura allerdings gerne erspart, denn „die letzten sechs Monate bei PSG waren zweifellos der schwierigste Teil meiner Karriere“. Der Profi weiter: „In der letzten Saison hatte ich 19 Tore geschossen und dann kamen Neymar und Mbappé. Ich dachte, ich könnte neben ihnen spielen, aber ich war nicht einmal im Spieltagskader. Also habe ich zu Gott gesagt: ‚Ich werde sechs Monate lang kämpfen. Wenn sich nichts ändert, gehe ich.‘“
Neben der Geburt seines Sohnes machte das Angebot aus England Lucas Moura wieder froh. „Als sich die Spurs im Januar meldeten, besuchte ich ihr Trainingszentrum. London ist eine weitere großartige Stadt und die Premier League ist die beste Liga der Welt. Als Gott mir diese Tür öffnete, habe ich nicht lange überlegt.“ Den größten Moment erlebte er beim 3:2 im Halbfinal-Rückspiel der Champions League bei Ajax Amsterdam: Moura sicherte das längst verloren geglaubte Finale mit drei Treffern.
Tottenham war gegen Ajax „erledigt“ – dann kam Lucas Moura
„Wir waren erledigt“, blickte Lucas Moura zurück. „Aber ich weiß nicht, warum, ich habe einfach weiter daran geglaubt, dass es möglich ist. (…) In der zweiten Halbzeit haben wir sie regelrecht überrollt.“ Das Siegtor fiel in der allerletzten Sekunde. „Als das Spiel vorbei war, bin ich einfach auf den Boden gefallen und habe geweint. Ich habe Gott gedankt. Ich empfand ein riesiges Gefühl der Dankbarkeit, als hätte ich ein großes Geschenk erhalten. Alle kamen zu mir und umarmten mich. Unbegreiflich, Mann. Im Ernst, ich weiß nicht, wie das passiert ist.“
8. Mai 2019, Showdown im „Königsklassen“-Halbfinale: Tottenhams Lucas Moura jubelt dreifach gegen Ajax Amsterdam
Trotz des verlorenen Endspiels gegen den FC Liverpool überwiegen die positiven Gefühle. „Wenn ich über diese Momente nachdenke, wird mir klar, wie viel Glück ich gehabt habe. Auch wenn ich nicht gewonnen habe, habe ich alles gegeben, und das hat es mir leichter gemacht, die Niederlagen zu akzeptieren. Wenn ich am Ende meiner Karriere weiß, dass ich alles getan habe, was ich konnte, dann bin ich glücklich“, so Lucas Moura. Der vertraglich bis 2024 gebundene Rechtsfuß formulierte die Rückkehr in die „Seleção“ als nächstes Ziel. „Ich würde gerne bei der Weltmeisterschaft spielen. Außerdem möchte ich mit den Spurs unbedingt einen Pokal gewinnen.“