18. Spieltag: SC Paderborn 07 - SV Darmstadt 98

Liebe Lilien-Fans, Freunde des rustikalen Fußballs,

der Weihnachtsmann ist glücklicherweise nicht der Osterhase, daher müssen wir wenigstens nicht fürchten, dass uns Ersterer am 4. Advent ein faules Ei ins Nest legt. Aber ob es eine schöne vorzeitige Bescherung gibt, lässt sich auch nicht sagen beziehungsweise liegt im Auge des Betrachters.

Es ist der Rückrundenauftakt gegen den SC Paderborn, Aufsteiger aus der 3. Liga, der mit seiner Hinrunde mehr als zufrieden sein dürfte. Mit 25 Punkten belegen die Ostwestfalen den 7. Tabellenplatz und sind durchaus in Schlagdistanz zu den Spitzenplätzen, was Anerkennung verdient. Mit 36 Treffern verfügt die Mannschaft von Steffen Baumgart, der das Team nach dem Abstieg in die 3. Liga übernahm und binnen zwei Jahren wieder zurück ins Unterhaus der Bundesliga führte, über die zweitbeste Offensive nach dem 1. FC Köln. Während der abgelaufenen Hinrunde stand der Verein nicht ein einziges Mal auf einem Abstiegsplatz. Die Spielidee mit offensivem Pressing, die in der 3. Liga entwickelt wurde, wurde in die 2. Bundesliga übernommen und funktioniert nach wie vor prächtig. Trainer Baumgart favorisiert ein 4-4-2 und hat mit Philipp Klement laut Kicker-Bewertungen den Topspieler der Liga in seinen Reihen, der zudem momentan auf dem 2. Platz der Torjägerstatistik rangiert. Die Verantwortlichen haben in Sachen Kaderplanung ihre Hausaufgaben gemacht, denn Verletzte lassen sich derzeit ohne größeren Qualitätsverlust ersetzen. Dieser ausgeglichene Kader kann natürlich im weiteren Verlauf der Saison ein wichtiges Pfund sein und zeigt nachdrücklich, dass man dort ein sehr gutes Händchen beim Scouting hat. Wie zu lesen ist, werden im Hintergrund auch schon die Planungen für die kommende Spielzeit vorangetrieben. Das alles spricht doch für die sehr professionelle Arbeit der Ostwestfalen, die mit dem Abstieg sicherlich nichts zu tun haben werden.

Wie jeder weiß, gab es bisher exakt ein Aufeinandertreffen der beiden Teams und zwar zu Beginn dieser Saison. Bei brütender Hitze konnten sich die Lilien am Ende mit 1:0 (Torschütze: Dursun) gegen den Aufsteiger durchsetzen, die sich in der Partie durch eine relativ rustikale Gangart auszeichneten. Dieses Stilmittel beherrscht der SCP nach wie vor, allerdings kann die Mannschaft auch richtig gut Fußball spielen. Die aktuelle Platzierung kommt ergo nicht von ungefähr.

Während man sich in Paderborn also auf geruhsame Weihnachten freuen kann, sieht die Situation in Darmstadt doch etwas anders aus. Der Baum brennt mit Sicherheit nicht, dafür ist die Leidensfähigkeit der Lilien und das Vertrauen der Verantwortlichen und Teilen der Anhängerschaft in Trainer Dirk Schuster zu groß. Aber wenn man für die erste Halbserie eine Schulnote vergeben müsste, würde im Zeugnis meines Erachtens doch allenfalls eine Vier stehen (mit einem Minus in Klammern). Die bisherige Punktausbeute ist ausreichend, aber die Auftritte ließen im Verlauf der Saison keine allzu großen Fortschritte in spielerischer Hinsicht, überhaupt irgendeine Art der Weiterentwicklung, erkennen. Man fragt sich mitunter, warum andere Vereine mit geringeren Marktwerten, viel eher spielerische Lösungen finden und mutiger agieren. Schuster scheint sich nicht von der in Bundesligazeiten durchaus legitimen Underdog-Rolle lösen zu können. Leider präsentiert sich auch die Mannschaft meist entsprechend vorsichtig-zurückhaltend bis ängstlich-abwartend auf dem Rasen. Persönlich kann ich mich nur an wenige überzeugende Auftritte erinnern, zumindest nicht über komplette 90 Minuten. Als Zuschauer ist man regelmäßig einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt.

Spielerische Ansätze sind nach wie vor Mangelware. Wenn es über die Außen nicht funktioniert, weil Jones und Heller nicht so performen wie notwendig, bricht das Kartenhaus zusammen und Ideenlosigkeit macht sich breit. Die Bälle werden zurück auf Heuer-Fernandez gespielt, der den Ball nach vorne drischt, in der Hoffnung, dass Dursun, der allein auf weiter Flur rackert, etwas mit dem Ball anfangen oder auf einen nachrückenden Mitspieler, sofern sich einer nach vorne traut, ablegen kann. Zugegeben, in der Hinsicht hatten die Lilien schon immer ihre Defizite, konnten dies aber durch ihre Stärke bei Standards wieder weitgehend kompensieren. Vom einstigen Trumpf ist aktuell nichts zu sehen, Eckbälle und Freistöße sind meist vollkommen harmlos.

Machen wir uns nichts vor: Die Spielweise der Lilien ist entschlüsselt. Die Gegner haben es vergleichsweise leicht, sich auf die Partien gegen Darmstadt vorzubereiten. Weder taktisch noch personell gab es in der Hinrunde größere Überraschungen. Vor der Rückkehr nach Darmstadt wurde immer wieder davon gesprochen, das Trainerteam habe sich weiterentwickelt, weshalb man natürlich hoffen konnte, dass sich dies früher oder später auch auf dem Platz in irgendeiner Weise zeigen würde. Stand jetzt ist davon nichts zu sehen.
In den Pressekonferenzen wird immer wieder auf „Gedankenspiele“ des Trainerteams hingewiesen, wodurch eine gewisse Erwartungshaltung geschürt wird, dass irgendeine Überraschung in taktischer oder personeller Hinsicht möglich wäre. Am Spieltag läuft aber doch in der Regel die gleiche Mannschaft auf, es sei denn, man ist durch Sperren oder Verletzungen zu Umstellungen gezwungen. Schuster setzt nach wie vor fast dickköpfig auf sein 4-2-3-1 System und die etablierten Spieler, auch wenn einige der Akteure ihrer Form hinterherlaufen und eine Pause brauchen könnten.

Apropos PKs: Da sollten sich die Lilien allmählich eine Scheibe bei den Ostwestfalen (oder anderen Vereinen) abschneiden: Wenn man die Pressekonferenzen schon im Internet zugänglich macht, sollte gewährleistet sein, dass Fragen und Antworten gleichermaßen akustisch vernehmbar sind. Bei den Lilien hört man aber regelmäßig nur die Antworten von Schuster; die Fragen der Journalisten sind nur bruchstückhaft zu erahnen, sofern man den Lautsprecher auf maximale Lautstärke stellt, was sich auch wieder schnell als Bumerang erweisen kann. Eigentlich ein leicht zu beseitigendes Defizit, aber offensichtlich will man an der Stelle „aus Tradition anders“ sein, anstatt professionell aufzutreten.

Der Thread ist jetzt doch weniger besinnlich ausgefallen, als es angesichts des nahenden Weihnachtsfests vielleicht angemessen wäre. Ich bitte um Nachsicht, dass die Einleitung eher einem Halbjahreszeugnis gleicht, natürlich aus meiner ganz persönlichen Perspektive. Um abschließend halbwegs die Kurve zu kriegen:
Mit einem Unentschieden in Paderborn könnten die Lilien den mitreisenden etwa 700 Fans eine kleine Freude bereiten und sich selbst ein etwas größeres Polster auf die Abstiegsplätze verschaffen. Es wird allerdings sehr schwer werden, denn der SCP wird die Lilien mit seiner Art Fußball gewaltig unter Stress setzen. Man darf gespannt sein, was sich Schuster einfallen lässt, um mit den Lilien dort zu bestehen und – Achtung: Floskel – etwas Zählbares mitzunehmen.

Mit dieser Vorlage hoffe ich nun, eine lebhafte Diskussion entfachen zu können und wünsche allen bei der Gelegenheit frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Jahr 2019!
Dieser Beitrag wurde zuletzt von Lilienfieber am 21.12.2018 um 20:49 Uhr bearbeitet